Kennst du diese Szenen?
Das Kind möchte nicht Zähneputzen.
Es möchte nicht Nachhause.
Es möchte sich nicht anziehen.
Es möchte etwas anderes essen.
Es kann nichts alleine machen.
Es schreit herum.
Es hält sich nicht an Abmachungen.
Es hat einen Wutausbruch, weil es etwas nicht haben darf.
Es haut das Geschwister.
Und.so.weiter.
Uff, ganz schön anstrengend und herausfordernd. Da sind viele starke Emotionen und keine Kooperation.
Allenfalls hast du schon gefühlt das zehnte Buch gelesen und den zwanzigsten Podcast gehört über eine beziehungs- und bedürfnisorientierte Elternschaft und wolltest diese Ideen umsetzen.
Doch irgendwie klappt es nicht und oft eskalieren die Situationen und die Verbindung zwischen dir und deinem Kind kappt.
Weil: Bedürfnisorientierung ist so viel mehr als das Wissen darüber, es geht viel tiefer.
Was braucht es dann?
Wenn du mit dem Verstand Informationen aufnimmst, sind sie nur in 10% deines Bewusstseins - 90% folgen noch deinen alten Prägungen (=Unterbewusstsein).
In gewissen Situationen 'macht es einfach' mit dir.
Der Grund ist folgender:
Du bist gerade in einem unbewussten Zustand
Eine Verletzung eines jüngeren Anteils wird getriggert
Das Nervensystem kommt in eine Dysregulation
Du reagiert mit Kampf, Flucht oder Erstarrung
Nun etwas genauer.
Wenn wir nicht vollkommen gegenwärtig im Moment und damit in der beobachtenden, wertfreien Haltung aka dem reinen, wahrnehmenden Bewusstsein sind, ist unser Ego aktiv und damit unbewusste Anteile am Steuer.
Die meisten inneren Verletzungen, die uns noch heute prägen, stammen aus der Kindheit. Die Mehrheit von uns hat in ihrer Kindheit eher weniger eine bedürfnisorientiert Begleitung erlebt, wurden viel eher autoritär erzogen.
In einer autoritären Erziehung geht es um Gehorsam und nicht darum, die Ursache eines Verhaltens, die Bedürfnisse dahinter zu ergründen. Gefühle und Emotionen bekommen wenig bis keinen Raum oder werden sogar bestraft (körperlich oder psychisch), werden daher vom Kind oft unterdrückt. Auch durch Belohnung verliert ein Kind allmählich den Zugang zu sich selbst.
Das Kind erfährt, dass Liebe bedingt ist, es nur okay ist, wenn es sich anpasst und so verhält, wie die Eltern es möchten. Damit einher geht eine grosse Unsicherheit, Hilflosigkeit und viele schmerzhafte Erlebnisse, welche Spuren hinterlassen - sogenannte Traumata (in der Definition: eine "starke psychische Erschütterung, die im Unterbewusstsein noch lange wirksam ist").
Oder dann gibt es das Gegenteil des kontrollierenden, autoritären Erziehungsstils: das Laisser-faire, die Vernachlässigung. Hier übernehmen Eltern zu wenig Verantwortung und geben den Kindern nicht die nötige Führung. Auch das hat fatale Folgen: Minderwertigkeitsgefühle, Ängste, Hilflosigkeit, Überforderung, Verantwortungs-Verstrickungen, Süchte (die aus der Suche nach Liebe resultieren), grosses Aufmerksamkeitsbedürfnis,...
Dadurch, dass unsere eigene Bedürftigkeit als Kind weder gestillt noch gewürdigt, vielleicht sogar abgewertet wurde, gehen wir mit anderen nun gnadenlos um. Wer nicht geschont wurde und dies nicht verarbeiten konnte, schont auch andere - besonders unsere Kinder - nicht.
Kurz: wie unsere Eltern mit uns umgegangen sind, hat unser Selbstbild und unsere Sichtauf andere Menschen und die Welt stark geformt.
Anyway. Eine Situation triggert einen verletzten inneren Anteil, welcher das Nervensystem in Alarmbereitschaft versetzt (Gefahr!). Schlussendlich möchte es uns vor einer weiteren schmerzlichen Erfahrung schützen. Daraus resultieren entweder Kampf/Angriff (das kann sich mit Schreien, Drohen, Schlagen, Schubsen, Wegzerren etc äussern), Flucht (gehen, Abstand suchen, das Zimmer verlassen oder auch das Kind ins Zimmer sperren) oder Erstarrung (totale Überforderung, Handlungsunfähigkeit).
In solchen Momenten holen wir meistens Handlungsmuster aus der eigenen Kindheit hervor oder was wir von unseren Eltern vorgelebt bekommen haben. Sich dabei selbst zu regulieren ist eine grosse Herausforderung und braucht Übung.
Jedoch möchte ich lieber beim Ursprung, bei diesen verletzten Anteilen ansetzen, den 90% im Unterbewusstsein die das Leben massgeblich beeinflussen - statt mur Regulations-Tools zu vermitteln (welche auch hilfreich sind, wenn ein solcher Zustand entsteht).
Dieses innere verletzte Kind will gesehen, gehört und gehalten werden mit seinen Emotionen und Bedürfnissen. Und das kannst du im Hier und Jetzt machen.
Es braucht deine Verkörperung der Bedürfnisorientierung. Es ist grundlegend, dass du sie IN DIR lebst - besonders auch vorlebst.
Zudem darfst du dich selbst mit deinen eigenen Bedürfnissen - besonders auch die deiner zyklischen Natur - wieder kennenzulernen und vor allem: Dir genug wichtig sein - ein Akt der Selbstliebe. Dafür brauchst du den Zugang zu deinem wahrsten Wesen, ohne all die Konditionierungen, Blockaden, Prägungen, Glaubenssätze etc.
Wenn die Bedürfnisse deiner kindlichen (und auch erwachsenen) Anteile genährt sind, kannst du auch die Bedürfnisse deiner Kinder viel besser erfüllen und in Verbindung bleiben. Du kannst den Raum halten für alles, was sich im Aussen zeigt.
Erspüre das Mitgefühl mit dir selbst, erkenne deine Bedürfnisse und stille sie. Tue dir etwas Gutes, auch wenn es noch so klein erscheinen mag. Mache dir eine feine Tasse Tee, gönne dir einen Spaziergang oder schenk dir einen freien Nachmittag, wo du einfach tust, wonach dir gerade ist. Liebevoll mit sich selbst zu sein, bedeutet nicht immer, etwas zu tun oder in die Aktivität zu gehen, sondern vielleicht auch mal etwas wegzulassen und sich einfach zu entspannen.
Bedürfnisorientierung bedeutet, dass die Bedürfnisse ALLER Familienmitglieder wichtig sind und beachtet werden dürfen.
Schliesslich: Umso öfter du dich darin übst, präsent zu bleiben, kannst du die Verbindung zu dir, deinem Kind und der Situatuation halten, einfach Raum sein. Und aus dieser Verbindung heraus weisst du genau, was es gerade braucht♥️
Zücke dein Journal:
In welchen Situationen gerätst du in dieses Fahrwasser?
Was würde dir helfen, präsent zu bleiben?
Welche Bedürnisse sind in deinem Alltag oft unerfüllt? (siehe Bedürnis-Liste unten)
Auf welche Bedürfnisse möchtest du vermehrt den Fokus legen?
Wie kannst du dir diese Bedürfnisse bestmöglich erfüllen im Alltag? Wer kann dich allenfalls dabei unterstützen?
Viel Spass beim Erforschen ❃
Liebend gerne begleite ich dich auch in meinen 1:1 Räumen in deinen Prozessen.
In Liebe,
Simone
Der Schlüssel ist, dass du selbst den Raum halten kannst für alle intensiven Emotionen deines Kindes und vor allem: dir selbst. Dann ist es möglich, auf die Bedürnisse deines Kindes einzugehen.
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